V. Kunstschmerztherapie und Psychotherapie-Theorie

Petzold und Orth (1990) verlangen von allen kunsttherapeutisch Tätigen die Beherrschung einer „prozessorientierten“, theoretisch fundierten Basistherapieform. Dies bürge Qualitätssicherung und Einengung in einem, denn zwar könnte man sich nun auf das Verpflichtetsein einem gängigen Verfahren gegenüber verlassen, doch würden auch Möglichkeiten, die aus der kunsttherapeutischen Arbeit selbst kommen, eingeschränkt. Kunsttherapie im Rahmen psychotherapeutischer Theorie leistet nämlich nichts über das hinaus, was die betreffenden Theorien nicht schon vorher zu bieten gehabt hätten. Kreativität fügt eine neue, sinnliche Komponente hinzu, doch das Verfahren bleibt sich gleich. Oder, wie Schuster (1986) am Beispiel psychoanalytisch geleiteter Kunsttherapie formuliert: „Während also der Traum die Via regia zum Unbewußten ist, scheint die bildnerische Gestaltung eine benutzbare Nebenstraße zu sein, die auch noch einige Vorzüge aufweist: Der Therapeut kann z.B. in die bildhaften Prozesse eingreifen (…), und die bildnerischen Produkte stehen dauerhaft zur Verfügung.“ (S. 25)

Kunsttherapie in einer analytisch ausgerichteten Therapie ist also eine andere, vielleicht bessere Traumarbeit – Psychoanalyse mit anderen Mitteln. Sie hat, um noch einmal Schuster zu zitieren, im wesentlichen fünf mögliche Ziele: Katharsis, Vermittlung von Einsicht, Symbolarbeit, Sublimierung und das Kompensieren von Entwicklungsmängeln. Alle diese Ziele können in der Schmerztherapie eine Rolle spielen, wobei wichtig ist zu erwähnen, dass sie nicht zwangsläufig durch Kunsttherapie zu erreichen sind, sondern auch über andere Wege, etwa Körperarbeit, angestrebt werden können (vgl. zur Verbindung von Körperarbeit und Hypnose in der Schmerzbehandlung auch Eberwein 2001, Milzner 1996).

Ähnliches gilt für Kunsttherapie im verhaltensbezogenen Setting. Sie ist eine Verhaltenstherapie mit kreativen Medien, die z.B. Desensibilisierung zum Ziel hat, wenn sie vorsichtiges Annähern an angsterzeugende Reize durch Malen oder Plastizieren ermöglicht. Dies ist eine probate Methode, um mit der Angst vor der kommenden Schmerzattacke zu arbeiten. Oder das kreative Schaffen wird als entspannender, als verstärkender und vielleicht gelegentlich als aversiver Stimulus genutzt und hilft, einen Umlernprozeß zu ermöglichen.

Gestalttherapie hat sich immer in einem besonderen Maß auf Kreativität berufen. So ist die Kunsttherapie heute auch in weiten Teilen entweder analytisch oder gestalttherapeutisch eingefärbt, was an folgender, in der Kunsttherapie gebräuchlicher Technik beispielhaft erkennbar wird: Mit Gemaltem oder Gebildetem, manchmal mit dem Medium selbst (Farbe, Pappe, Ton, Metall) wird während des Bearbeitens oder danach ein Dialog begonnen, der Konflikte sichtbar und austragbar macht, sowie Rollenwechsel ermöglicht. Wie man sieht, ist diese Arbeit von „gewöhnlichem“ gestalttherapeutischem Tun kaum abzusetzen. Doch gibt sie etwa durch die Anregung, mit gemalten Symptomen Dialog zu pflegen, einer Kunsttherapie des Schmerzes Impulse. Und ebenso entspricht sie dem, was in der Hypnotherapie unter dem Stichwort „Arbeit mit Teilen“ praktiziert würde.

In der Transaktionsanalyse ließe sich Kunsttherapie verschieden verwenden. Zum einen wäre sie ein Kommunikationsmittel, mit dem das Eltern-Ich oder das Erwachsenen-Ich dem Kind-Ich zuspräche, es ablenkte, ihm Erklärungen schüfe, o.ä. Zum anderen ist sie der Ausdruckskanal des Kind-Ichs, kann beim Ableiten von Spannungen helfen, gibt ein Kompetenzgefühl dadurch, daß mit dem Schmerz etwas gemacht wird (er wird gemalt), und hat dann also ungefähr die Funktion, die Malen bei leidenden Kindern in Kliniken bekommt.

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