Im Rahmen ganzheitlicher Krebstherapie kommt der Psychotherapie eine
wachsende Bedeutung zu. Als eins der möglichen und in der Praxis
realisierten psychotherapeutischen Verfahren bei Krebserkrankungen wird in diesem Artikel die Bedeutung klinisch angewandter Hypnose (Hypnotherapie) dargestellt.
Gilt
die Hypnose auch als eine der ältesten psychotherapeutischen Methoden,
so ist ihre Anwendung bei Krebspatienten hingegen ein noch relativ
junges Gebiet und mit diversen Vorurteilen belastet. U.a. bedingt durch
Show-Hypnosen verbinden viele Menschen damit die Vorstellung einer dem
Hypnotiseur hilflos ausgelieferten Person, die durch formelhafte
Beschwörungen manipuliert ist und wie ferngesteuert Dinge macht, die ihr
während der Trance (=hypnotischer Zustand) aufgetragen werden. Moderne
Hypnotherapie ist hiervon weit entfernt. Sie hat sich im Laufe ihrer
Entwicklung zu einer vielseitigen und bedeutsamen Therapieform
entwickelt, die den Patienten unterstützt, seine bewussten und
unbewussten Kräfte und Potentiale zu mobilisieren, um so im Zusammenhang
seiner psychischen und physischen Probleme positive Veränderungen
einzuleiten.
Im Hinblick auf die Zielrichtung lässt sich hypnotherapeutisches
Vorgehen bei Krebspatienten übersichtshalber in vier Gebiete gliedern,
wenn auch bei der Anwendung und den Wirkzusammenhängen eher von einer
Integration einzelner Bereiche auszugehen ist:
Schmerzkontrolle
Linderung der Nebenwirkungen von Chemotherapie
Verbesserung der Lebensqualität
Aktivierung körpereigener Abwehrprozesse
Hypnose wird bei Krebskranken bisher vor allem zum Zweck der Schmerzkontrolle angewendet.
Allgemein ist hypnotherapeutische Schmerzbehandlung nicht nur eine der
ältesten nichtmedikamentösen Methoden bei der Bekämpfung von Schmerzen,
sondern wie Laborexperimente und klinische Anwendungen zeigen, auch
einer der wirkungsvollsten. Sie bietet bei Krebspatienten die
Möglichkeit, unerträgliche Schmerzen, die zum Teil auch mit Medikamenten
nur noch unzureichend eingedämmt werden können, zu verringern oder zu
beseitigen.
Grundlage hypnotherapeutischer Schmerzkontrolle ist eine
ausführliche Diagnose der aktuellen Bedingungen und der Vorgeschichte
der Schmerzen, d.h. der Art des Schmerzes, der Umfang der betroffenen
Bereiche u.s.w. . Ein Bestandteil ist weiter das Erfassen der
individuellen Einstellungs- und Wahrnehmungsmuster des Patienten, die
einen wesentlichen Ausgangspunkt für Veränderungen in der
Wahrnehmungsstruktur des Patienten und seinem Umgang mit den Schmerzen
darstellen.
Da durch die Hypnose die physiologischen Schmerzprozesse
wenn überhaupt nur unwesentlich beeinflusst werden, ist eine
Voraussetzung überdauernder Schmerzkontrolle die ständige Wiederholung
des Vorgehens durch den Therapeuten bzw. eine Einübung des Patienten in
eine für ihn realisierbare Form der hypnotherapeutischen
Schmerzkontrolle (Selbsthypnose). Ein Problem dieser Anforderung an den
Patienten kann darin bestehen, dass er aufgrund unzureichender
Vorinformationen bzw. laienhafter Vorstellung (s.o) erwartet, der
Hypnotherapeut würde mit einigen Suggestionen eine Art Wunderheilung
vollbringen. Wie bei jedem hypnotherapeutischen Vorgehen ist hier vorab
eine genaue Exploration und Berücksichtigung der Annahmen des Patienten
zur Hypnose Voraussetzung für effiziente therapeutische Arbeit.
Die
Eigenbeteiligung des Patienten ist generell ein wesentlicher Bestandteil
von Hypnotherapie bei Krebspatienten und beinhaltet den übergreifenden
Aspekt, dass der Patient sich nicht passiv erduldend bzw. erleidend
sondern als aktiv am therapeutischen Prozess beteiligt erleben kann.
Die Linderung der Nebenwirkungen von Chemotherapie
ist ein weiteres Anwendungsgebiet der Hypnose.
Diese Begleiterscheinungen, wie z.B. Schwindelgefühl, Appetitlosigkeit
oder Übelkeit, können zum Teil so massiv sein, dass eine „innere
Kündigung“ des Patienten mögliche Heilerfolge in Frage stellt. Neben
einer suggestiven Beeinflussung der körperlichen Beschwerden ist es vor
allem hilfreich, die Einstellung zur Chemotherapie positiv zu verändern,
so dass z.B. ein Patient, der das Gefühl hat, mit den Medikamenten
seinen Körper zu vergiften, dahin gelangen kann, diese als Verbündete
der eigenen Abwehrkräfte im Kampf gegen die „giftigen“ Krebszellen
anzusehen.
Ein weiterer Bestandteil des Vorgehens sind
zukunftsprojektive Methoden. D.h., der Patient wird in der Trance dahin
geführt, sich z.B.in einer Zeit zehn Jahre später zu sehen und auf die
Zeitspanne zurückzublicken, während er an Krebs gelitten hatte und die
Chemotherapie angenehm und sicher überstanden hat. Die
Zukunftsorientiertheit stärkt das Gefühl der Hoffnung und ist indirekt
eine Aufforderung an das Unbewusste, Wege der Bewältigung zu finden und
damit den Fortschritt des Heilungsprozesses zu unterstützen.
Wenn
alles andere ohne Wirkung bleibt, kann während der Phasen besonders
starker Nebenwirkungen ein tiefer Schlaf induziert werden, um so eine
Art Fluchtmöglichkeit vor den zum Teil quälenden Folgen der
Chemotherapie zu ermöglichen.
Schmerzkontrolle und Linderung der
Begleiterscheinungen von Chemotherapie können als Bestandteil des
übergeordneten Therapieziels einer Verbesserung der Lebensqualität des
Patienten betrachtet werden. Denn insgesamt leben die meisten
Krebspatienten ein Leben in Furcht, Desinteresse und verminderter
Aktivität. Den Patienten zu unterstützen, ein bewussteres erfülltes
Leben zu führen, ist über humanitäre Gesichtspunkte hinaus eine
Voraussetzung, um den Lebens- bzw. Überlebenswillen zu aktivieren, ohne
den weitergehende Versuche der psychologischen Aktivierung körpereigener
Abwehrkräfte (s.u.) uneffektiv bleiben müssen.
Allgemein ermöglicht
Hypnose dem Patienten die Erfahrung eines angenehmen, tiefen
Entspannungszustandes. Die damit verbundene Ruhe, die geringeren
Beschwerden, die verminderte Angst und verbesserte Stimmung sind
therapeutisch wirksame Erfahrungen und unterstützen die weitere
psychotherapeutische Arbeit. Die positiven Änderungen können eine große
Wirkung auf den Patienten haben, insbesondere wenn er lernt, diese
Änderungen durch Selbstbeeinflussung (Selbsthypnose) zu verstärken. Er
braucht sich nicht länger als hilfloses Opfer seiner Krankheit zu
erleben, das den Heilerfolg ausschließlich von außen erwarten kann. Das
stärkt sein Selbstwertgefühl und seine Motivation, die Behandlung
fortzusetzen und kann damit schon auch zu einem Teil der Auswirkungen
von Psychotherapie auf den Tumor selbst werden.
Eine zentrale Frage ist, ob Hypnotherapie durch Aktivierung körpereigener Abwehrkräfte
einen Stillstand oder Rückgang von Krebs bewirken kann. Es gibt
inzwischen ausreichende Erfahrungen und Erkenntnisse, die auf einen
positiven Zusammenhang hindeuten.
Da sich während des ganzen Lebens
im Körper eines Menschen spontan Krebszellen bilden, ohne dass es
zwangsläufig zum Ausbruch einer Krebskrankheit kommen muss, scheint ein
körpereigener Abwehrmechanismus diese Zellen normalerweise zu zerstören.
Verschiedenste Faktoren können nun dazu beitragen, dass dieses System
versagt. Einige dieser Faktoren sind psychologischer Art. Vor allem
Stress und seelischen Depressionen kommt in diesem Zusammenhang eine
Bedeutung zu, die sich auf körperlicher Ebene auch in einer Verminderung
der für die Abwehr als bedeutsam geltenden T- und B-Lymphozyten
offenbart. Da gerade durch den Ausbruch einer Krebserkrankung diese
psychologischen Faktoren verstärkt oder auch erst hervorgerufen werden,
kann Hypnotherapie (bzw. generell Psychotherapie) diese dem
Heilungsprozess entgegenstehenden Auswirkungen verringern oder gar
beseitigen.
Die besonderen Chancen der Hypnotherapie bestehen u.a.
darin, dass durch Hypnose nachweislich in gezielter Weise Einfluss auf
physiologische Prozesse genommen werden kann; ein bekanntes Phänomen ist
auch die hypnotisch bewirkte Rückbildung von Warzen (diese gelten als
prototypisch für Tumore). In der praktischen Durchführung werden dabei
dem Patienten durch Erzählen von Metaphern, Ansprechen eigener
Erfahrungen etc. allmählich Möglichkeiten eröffnet, körperliche Vorgänge
zu beeinflussen. Dabei wird unter Berücksichtigung des individuellen
Sprach- und Bezugssystems des Patienten zunehmend das Abwehrsystem des
Körpers und die Vorgänge auf der Ebene der Zellen thematisiert. Eine
direkte Auseinandersetzung des Patienten mit dem Tumor kann z.B. dann so
gestaltet sein, dass er sich während der Trance die Krebszellen
individuellen „Feindbild“ entsprechend vorstellen soll (z.B. als
Ungeziefer) und sie auf dieser bildhaften Ebene bekämpft.
Ein
wesentlicher Bestandteil der Therapie ist dabei generell vor allem der
Aufbau von Einstellungen und Motivationen, die den Patienten
unterstützen, sich aktiv um seine Genesung zu bemühen.
Schon in den
ersten klinischen Studien über die Wirksamkeit hypnotherapeutischer
Vorgehensweisen bei Krebserkrankungen in den 80iger Jahren zeigen die
von dem bekannten amerikanischen Krebstherapeuten Bernauer W. Newton
erhobenen Daten, dass sich bei den entsprechenden Patienten mit
Brustkrebs, Darmkrebs bzw. Lungenkrebs eine zwei- bis dreifach so hohe
„mittlere Überlebenszeit“ und eine höhere Überlebensrate t ergab als
landesweit durchschnittlich üblich.
Im Hinblick auf den Ernst dieses Themas ist es geboten, nicht leichtfertig vorschnelle Hoffnungen zu erzeugen. Es gibt jedoch deutliche Hinweise dafür, dass Hypnotherapie Schmerzen und Nebenwirkungen der Chemotherapie lindern und die Selbstheilungskräfte aktivieren kann, allgemein einen positiven Einfluss auf die Lebens qualität und das Selbstverständnis des Patienten hat und insgesamt den Heilungsprozess fördern kann