VIII. Diskussion
Wohin soll die Therapie eines/ einer Schizophrenen führen? Kretschmer hat einmal den Vorschlag gemacht, aus dem „Durchschnittsschizophrenen“, wie er ihn nannte, unter Ausnutzung der sowieso vorhandenen motorischen Unruhe eine „Arbeitsmaschine“, aus besonders begabten Schizophrenen hingegen „Weise“ zu formen (vgl. Kretschmer 1949). Wir haben mit einem Abstand von knapp fünfzig Jahren nun ersteres nicht mehr vor, da es uns ohnehin an Arbeit mangelt, und in letzterer Hinsicht sind wir bescheidener geworden. Schizophrenen ihre Originalität zu lassen, dabei sie zugleich in sich stabiler und in der Gesellschaft kompetenter zu machen, so etwa könnte man moderne Ziele der Schizophrenie-Therapie umreißen. Daß diese Ziele nicht alle durch die oben zitierten Interventionsmöglichkeiten erreichbar sind, dürfte klar sein. Immerhin führen sie aber diesen Zielen näher.
Stellen wir diejenigen Merkmale, welche für eine Hypnotherapie der Schizophrenie isoliert werden können, abschließend noch einmal nebeneinander, so können wir diejenigen Faktoren, welche bereits durch andere Autoren fundiert worden sind, leicht von denen unterscheiden, welche neu und spezifisch hypnotherapeutisch sind. Bei einer solchen Betrachtung erstaunt, daß das Prinzip der Utilisation, welches bei neurotischen Störungen so revolutionär war, in der Psychotherapie der Schizophrenie bereits seit langem praktiziert wurde. Benedetti (1983) und Langegger (1983) etwa betonen jeder auf seine eigene, charakteristische Weise die Notwendigkeit, sich im schizophrenen Gehäuse einzuleben. Es zeigt sich aber bei näherem Hinsehen, daß auf das Prinzip des Deutens (Benedetti ist Analytiker und Lehranalytiker beispielsweise von Mara Selvini-Palazzoli, Langegger ein Jungianer) nicht völlig verzichtet wird. Benedetti geht hinter seine vorherige Position zurück, wenn er im Rahmen der Schizophrenie-Therapie zwischen „therapeutischem“ und „paranoidem“ = krankem Deuten unterscheidet. Er schreibt: „Zwischen der „therapeutischen“ und der paranoiden Projektion muß ein Unterschied gemacht werden; letztere ist autistisch, die erstere wird jedoch zum Ausdruck von Erlebnissen beider Partner.“ (S. 184). Hier ist es erlaubt, ein Fragezeichen an den Rand zu zeichnen. Woher wissen wir, ob die Projektion des Therapeuten oder der Therapeutin nicht ebenfalls „autistisch“, diejenigen von Patientin oder Patient dagegen nicht doch auch dialoggeprägt, d.h. Folge von Interaktion sind? Benedetti, der ursprünglich der schizophrenen Psyche größtmögliche Offenheit entgegenbrachte, läßt hier nun doch autoriäre Reste durchschimmern. Seine Anschauung bleibt der psychoanalytischen Sphäre entnommen, in welcher, um es einmal formelhaft zu umschreiben, grundsätzlich die Dinge nicht sind, was sie sind. Prinzipiell wären andere Lesarten dessen möglich, was Benedetti die „paranoide Projektion“ nennt, und womit möglicherweise reale Verhaltens- und Beziehungsmerkmale gemeint sind. Peseschkian etwa geht davon aus, daß zumindest affektive Psychosen durch Mikrotraumen ausgelöst und aufrechterhalten werden, welche die Bezugspersonen der Kranken unbewußt pausenlos bewirken (vgl. Peseschkian 1993).
Das Utilisationsprinzip, welches gern als Hauptmerkmal von Hypnotherapie gehandelt wird, ist also nicht der entscheidende Faktor in der Hypnotherapie, sondern grundsätzlich in der Psychotherapie Schizophrener. Wo aber liegt nun das spezifisch Hypnotherapeutische? Um dies zu klären, möchte ich abschließend noch einmal mehrere Punkte herausstreichen. Zunächst ist die Hypnotherapie der Schizophrenie zustandsbezogen, d.h. sie arbeitet mit dem schizophrenen Zustand als einem Trancezustand, der gleich diesem veränderte Logik, andere Körpergefühle, sowie bizarre Denk- und Assoziationsmuster enthält. Sodann ist sie utilisierend in einem mitmenschlichen Sinn, d.h. sie hebt die Trennung zwischen Normalität und Fremdheit dahingehend auf, in der Schizo-Trance jene Möglichkeit des Erfahrens zu sehen, die wir alle in unseren Trancen haben. Schließlich ist die Hypnotherapie Schizophrener ressourcenorientiert, indem sie auf die Möglichkeiten zur Selbststabilisierung fokussiert, über welche ein zu Behandelner verfügt. Hypnotherapie ist hierbei auf das Unbewußte bezogen, welches als auf Selbstheilung hin angelegt betrachtet wird, und dessen Offenbarungen wir im schizophrenen Zustand teilweise bereits mitbekommen. Endlich ist in der Hypnotherapie Schizophrener das Selbstwissen von Bedeutung; jenes Wissen also, über welches jeder Mensch verfügt und das seine gesammelte Kenntnis über sich selbst vor dem Hintergrund seines Biographie, seiner Abstammung, Nationalität, kurz: seines Mensch- und Individuumseins bedeutet.